Die Whisky-Erfolgsstory

Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts bereiste Alfred Barnard die Malt Whisky Brennereien Schottlands und beschrieb sie in dem Buch: 'The Whisky Distilleries of The United Kingdom'. Aus heutiger Sicht erscheint uns die alte Welt noch in Ordnung. Viele kleine Whisky-Brennereien erschufen in Handarbeit einen Malt Whisky, wie ihn Alfred Barnard und wir so sehr schätzen.

Doch schon die damalige Zeit brachte große Veränderungen mit sich. Die aufkommende Industrialisierung erreichte auch das abgelegenste Tal in den schottischen Highlands. Die Steuer auf Alkohol und Whisky war seit geraumer Zeit eingeführt und nur lizenzierte Brennereien durften laut Gesetz Whisky herstellen. Die Zeit der Schwarzbrenner war vorüber.

Die Whisky-Wirtschaft steht in den Startlöchern

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich der mit der Lizenzierung eingeleitete Konzentrationsprozess in Schottland fort. Aus den ländlichen Farmen mit Brennereien im Nebenerwerb wurden wirtschaftlich selbstständige Unternehmungen. Die neuen Eisenbahnlinien erschlossen den letzten Winkel Schottlands und der Malt Whisky konnte bequem in die großen Städte gebracht werden. Hier wurde er bevorzugt zum Blending eingesetzt. Die damalige Phase des Aufschwungs brachte so bedeutende Blended Whisky Marken wie Dewar‘s und Haig hervor. Der Single Malt Whisky fristete ein Schattendasein und war nur bei den Schotten selbst und als 'Gewürz' für die mittlerweile weltweit vertriebenen Blended Whiskys geschätzt und gefragt.

Der große Erfolg der Blended Whiskys sorgte für ein Anwachsen der Konzerne bis 1914. Die Marken und deren Geschmack festigte sich. Da die Malt Whiskys wichtigster und geschmackgebender Bestandteil der Blends sind, wurden sie von der Versorgung mit Malts abhängig. Die Konzerne begannen sich ihre Whisky-Quellen zu sichern. Sie kauften bevorzugt die Brennereien auf, von denen sie bereits Fässer für ihre Blends bezogen. Bezahlt wurde in einer Währung, die für die Käufer genauso wertvoll wie für die Verkäufer billig war. Aktien! Beständige und anstrengende Arbeit in den kargen Highlands wurde durch Beteiligungen an den gewachsenen Konzernen belohnt.

Eine Weltwirtschaft im eigentlichen Sinne des Wortes gab es zur Wende von 19. zum 20. Jahrhundert noch nicht wirklich. Der Commonwealth mit den britischen Kronkolonien und das unabhängige Amerika waren die bevorzugten Märkte für Whisky. Amerika noch mehr als die Kolonien, in denen sich nur die kleine, herrschende Oberschicht den Whisky überhaupt leisten konnte.

Prohibition und Krieg dämpfen den Erfolg

Wegen der starken Abhängigkeit der ganzen Industrie von wenigen Ländern führte der erste Weltkrieg zu einem drastischen Rückgang der Produktion. Der Alkoholschmuggel in die USA konnte während der Prohibition (1919-33) einen Teil kompensieren, aber die Produktion erreichte nicht mehr die Werte von vor dem Krieg. So kam es zu ernsten Problemen innerhalb der Whisky-Firmen.

Hohe Schulden und die ersten Zusammenbrüche erschütterten in Folge die Schotten. Als die Prohibition 1933 vorüber war und Großbritannien seine Kriegsschulden aus dem zweiten Weltkrieg an USA in Whisky bezahlen durfte, ging es wieder aufwärts. Die Distiller's Company Ltd. wurde ungekrönter Sieger und konnte viele Firmen und Brennereien übernehmen. Aus dem Sieger von damals ist heute der größte Spirituosenkonzern der Welt Diageo geworden.

Nach dem Krieg beschleunigte sich das Konzentrationstempo und von mehr als zwei Dutzend Großfirmen sind heute nur noch sechs übrig geblieben. Die globale Expansion, allen voran USA und Großbritannien, schürte die Konkurrenz, so dass die Firmen sich entweder zusammenschlossen oder von den Großen geschluckt wurden.

Der Spirituosenmarkt wächst und wächst

Seit 20 Jahren geht es auch nicht mehr nur um Whisky allein. Der gesamte Spirituosenmarkt hat die Begehrlichkeiten geweckt. Zu groß sind die Kostenvorteile, wenn man neben Whisky auch Vodka, Gin, Cognac und Rum mit der gleichen Infrastruktur vertreiben kann.

Doch mit den Übernahmen von Seagram's und Allied Domecq durch Diageo und Pernod Ricard zeigt sich, dass der Übernahmemarkt beinahe zum Stillstand gekommen ist. Nur unter strengsten Auflagen wurden die Übernahmen von den Wettbewerbshütern in USA und Europa gebilligt. Die Konzentration ist bereits so groß, dass man Angst hat, ein Unternehmen könne eine beherrschende Stellung gewinnen.

Dies lies die verfolgenden Konzerne deutlich aufholen. Neuer Star am Whisky-Himmel ist die französische Firma Pernod Ricard. Mit der Übernahme von Chivas Brothers und Glen Grant ist der angestammten angelsächsischen Konkurrenz ein Newcomer in die Quere gekommen, der im Reigen der großen Drei mitspielt. Auch die amerikanische Konkurrenz ist nicht weit entfernt. Jim Beam, Jack Daniel's und Bacardi befinden sich in einer rasanten Aufholjagd.

Während man sich in den Konzernen tiefe Gedanken über asiatische Wachstumszahlen und Verhältnisse zwischen Whisky, Rum, Vodka, Cognac und Gin machte, nahm eine Entwicklung seinen Lauf, von der wir als Genießer heute profitieren. Zunächst unbemerkt von den Großen verkaufte Glenfiddich seinen Malt Whisky über die Duty-free Schiene. Der Erfolg war in den 1980ern so groß, dass der Malt den Reisenden bald in die heimischen Supermärkte folgte. Bis die Großen erwachten, hatte Wm. Grant & Sons, der Eigentümer von Glenfiddich, den Markt besetzt. Heute ist Glenfiddich mit Abstand Malt-Whisky-Marktführer und selbst Diageo gibt zu, dass die Verkaufszahlen der Classic Malts of Scotland bei weitem nicht Glenfiddich erreicht.

Doch die Riesen sind erwacht. Wurden zunächst nur die Classic Malts of Scotland als Konkurrenz eingeführt, so ist man jetzt mit der Classic Selection bereits auf der Überholspur. Eine Abfüllung jagt die nächste und die Großen der Branche plündern für uns ihre Lagerhäuser.

Wer hätte noch vor 10 Jahren gedacht, dass wir noch einmal Original-Abfüllungen von Port Ellen oder Ladyburn sehen würden? Die Konzerne sind fast ausnahmslos Aktiengesellschaften und die Aktionäre verlangen kurzfristige Erfolge. Wenn der Markt es hergäbe, würde der eine oder andere vielleicht seine Schwiegermutter verkaufen.

Die Whisky-Wirtschaft boomt

Im Windschatten von Glenfiddich nutzten auch andere, kleinere, schottische Whisky-Firmen ihre Chance. Und sie nutzten sie reiflich. InverHouse und Edrington konnten sich mit mehreren Hundert Millionen Euro Umsatz eine bedeutende Scheibe aus dem Kuchen herausschneiden. Nutzten die milliardenschweren Konzerne bislang ihre Kostenvorteile im Vertrieb, konnten die kleineren Whisky-Firmen über wertvolle Spezialabfüllungen ihr Geschäft machen.

Wer von den Großen im Reigen nicht mittanzen kann, muss sich von der Braut trennen. Jim Beam, hervorragend im Massengeschäft mit großen Zuwachsraten, versagte in Schottland. Die Übernahme von Invergordon und Whyte & Mackay fing niemals richtig an zu fliegen. Woran lag es? Die Frage bleibt müßig. In 2001 fand ein Management-Buyout statt. Mit Kyndal entstand ein eigenständiges Whisky-Unternehmen, das mit vier Malt Whiskys und bekannten Blends internationale Bedeutung erhielt, so dass sie letztendlich von den Indern aufgekauft wurden.

Doch auch kleine Firmen haben durch die Popularität von Malt Whisky eine neue Chance bekommen. Einzelne Brennereien in privater Hand können sich erfolgreich halten und weiterentwickeln. Sogar neu errichtete Malt Whisky Destillerien wie Arran oder Speyside haben eine Chance. Der Markt ist schwierig und oft muss frisches Kapital nachgeschossen werden. Wer es aber wie Bruichladdich in wenigen Monaten geschafft hat, der genießt den Erfolg des Tüchtigen.

Die Großen als globale Jobkiller zu brandmarken, erscheint vor dem Hintergrund der erreichten Erfolge nicht gerechtfertigt. Wo wären all die vielen Malt Whiskys im Vergleich zu Cognac oder Rum, wenn nicht der Erfolg der Blends die Nachfrage nach Malts gestützt hätte? Hätten ohne diese Unterstützung nicht viel, viel mehr Malt Whisky Brennereien schließen müssen?

Auch die Unabhängigen Abfüller haben daran ihren Anteil. Doch das ist eine andere Geschichte, die wir ein andermal erzählen.

Mai 2002